Die Gretchenfrage(n)
- Wie kommt es überhaupt zu den Vorurteilen, die dann zu EU-Mythen werden?
- Wer sollte den Bürgern Europas die Funktionsweise der EU erklären?
- Wer kommuniziert die Vorgänge in Brüssel und Straßburg nach Österreich?
Viele Vorurteile entstehen durch fehlende, lückenhafte oder verzerrende Kommunikation. Die Gerüchteküche brodelt besonders gern, wo sich Menschen vor vollendete Tatsachen gestellt fühlen und den Eindruck bekommen, Entscheidungen werden zu ihrem Nachteil gefällt. Psychologisch gesehen interessieren wir Menschen uns leider weniger für „good news“ als für Themen, die uns (möglicherweise) negativ betreffen. Was uns aufregt, das wirkt auf uns, es aktiviert uns, durchbricht die Wahrnehmungsschwelle und erzeugt Aufmerksamkeit. So kommt es, dass sich etwa die Medienberichte der Boulevardpresse eher auf die bedrohlichen Aspekte, auf Schreckensmeldungen, Horrorszenarien oder menschliche Tragödien konzentrieren als auf die schlichte Darstellung von Fakten. Im Falle der EU gibt es zwar eine Menge offizielle Stellen, die neutral und sachlich über die Vorgänge in der EU informieren. Diese oft als „trocken“ empfundenen Inhalte werden dann aber gerne emotionalisiert und instrumentalisiert (Stichworte: Populismus; Wählerstimmenfang; Verkaufszahlen), indem vorhandene Ängste in der Bevölkerung überhöht oder geschürt werden.
Diesem Vorgang spielt noch ein anderer Aspekt in die Hände – dass wir Menschen Gewohnheitstiere sind und Veränderungen, wenn sie nicht von uns selbst gewünscht und eingeleitet werden, skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen. Wir sehnen uns nach Stabilität, Wohlstand und wollen unsere Ruhe. Diesen Bedürfnissen laufen aber die globalen, klimatischen, sozialen und ökonomischen Entwicklungen derzeit zuwider. Die Unsicherheiten, die eine derart unberechenbar gewordene Umwelt auslöst, können durch Veränderungsprozesse kaum abgefedert werden – vielmehr wird der Wunsch nach Stabilität sogar verschärft. Überspitzt klingt das dann beispielsweise so: „Wer braucht Schutz vor Allergenen, wenn die Flüchtlinge uns überrennen?“ Die emotionalen Bedürfnisse nach Beständigkeit werden auf aktuelle Themen der gesellschaftlichen Veränderung projiziert. Eine entscheidende Frage dabei ist: Wer ist dafür zuständig, das richtig zu stellen? Wer sollte es auf EU-Ebene sein?
Ein ewiger Prozess statt des Garten Edens
Wer fühlt sich dazu berufen oder ist gar dafür verantwortlich klarzustellen, dass das Projekt Europäische Union sich nicht am Ende seiner Entwicklung, sondern in einem ständigen Anpassungs-, Verbesserungs- und Erneuerungsprozess befindet? Die EU steht für ein weltweit einmaliges Modell gelebter Kompromisse. Dass dies mitunter bedeutet, einzelne Interessen nicht vollständig zu befriedigen oder für manche unangenehme Veränderungen mit sich bringt, sollte stets in Relation zu den Jahrhunderten gesehen werden, in denen Meinungsverschiedenheiten in Europa mit brutaler Kriegsgewalt ausgefochten wurden.
Heute finden wir Einigungen am Verhandlungstisch. Doch wer sich die EU als einen „Garten Eden“ vorstellt, der wird enttäuscht sein. Es sind gerade die steten Fortschritte in Richtung Sicherung der Lebensqualität, nachhaltiger Entwicklung oder Vereinfachung des Miteinanders der Europäischen Staaten, die uns Stück für Stück aber klar und deutlich die immensen Unterschiede zur Vergangenheit und die steigende Relevanz und Stabilität eines vereinten Europa im Weltgeschehen vor Augen führen.
Es ist nicht nur die Aufgabe der Medien, sondern vor allem auch der europäischen und nationalen Politiker, die Themen, Abläufe und Entscheidungen Europas realistisch und nachvollziehbar an die Bevölkerung zu kommunizieren. Es ist schon häufig passiert, dass Entscheidungen von den Ministern der Mitgliedsstaaten in Brüssel getroffen, zu Hause dann aber gar nicht oder verzerrt kommuniziert wurden. Im Ergebnis ist das fatal, da das Projekt Europa von Kompromissen und deren Verteidigung lebt. Darüber hinaus sind gerade die BürgerInnen, insbesondere KünsterInnen, zur aktiven Auseinandersetzung mit und dadurch zur Mitgestaltung von der Europäischen Union aufgefordert. Denn Diskussionen über Unterschiede und Gemeinsamkeiten helfen dabei, dass die BürgerInnen der EU sich immer mehr auch als EuropäerInnen verstehen und empfinden und dadurch ihre Mitverantwortung für das gemeinsame Projekt Europa übernehmen können und wollen.
Die künstlerische Perspektive ist dabei ungemein wertvoll, denn sie vermag spürbar darzustellen, was sich unter der Wahrnehmungsschwelle der Gesellschaft abspielt. Kunst kann nicht nur verdeutlichen, was vielen vielleicht noch unbewusst ist, sie kann noch viel mehr, etwa durch die Darstellung verschiedener Perspektiven zur Meinungsbildung und Toleranz beitragen. Humor spielt hier eine wesentliche Rolle, denn gerade die offenen Fragen, die Bruchlinien, der Gefühlshaushalt und die Reibungsflächen in einer Gesellschaft lassen sich durch ihn effektiv adressieren und kommentieren. Der Humor kann, was anderen nicht gelingt: er kann eine positive Stimmung erzeugen, die zur Beschäftigung mit den herausfordernden Themen unserer Zeit anregt. Und er kann zum Nachdenken über die eigenen, oftmals festgefahrenen Meinungen und Vorurteile anregen.
Im Folgenden findest Du eine Zusammenfassung von 8 EU-Mythen, die sich hartnäckig in Österreich halten.
Diese Sammlung versteht sich weder als kompletten Überblick über alle EU-Mythen noch als umfassende Darstellung der im Einzelnen angeführten Mythen. Sie sollen vielmehr einen ersten Überblick zu den kursierenden Vorurteilen über die EU und zur Inspiration für diesen Wettbewerb geben. Die eingereichten Werke können selbstverständlich auch hier nicht erwähnte einseitige, falsche, übersteigernde oder abwertende Gerüchte über die EU behandeln!
8 bekannte EU-Mythen im Überblick
Mythos 1: Brüssel entscheidet
Mythos 2: Regulierungsmonster EU
Mythos 3: Flüchtlingsparadies EU
Mythos 4: Euro = Teuro
Mythos 5: Österreich zahlt drauf
Mythos 6: Ohne EU wäre alles besser
Mythos 7: Österreicher bleiben auf der Strecke
Mythos 8: Die EU ruiniert unsere hohen Standards